
Der Start ins Kanzleramt hätte für Friedrich Merz kaum schlechter laufen können. Nach jahrzehntelanger Ambition und politischen Comebacks scheiterte er bei der ersten Abstimmung im Bundestag – obwohl Schwarz-Rot eine Mehrheit hatte. Dass er erst im zweiten Wahlgang ins Amt kam, spricht Bände: über seine Akzeptanz im Parlament, über die Stabilität der neuen Koalition und über Merz selbst.
Für viele Beobachter war dies kein Betriebsunfall, sondern ein Ausdruck tief sitzender Zweifel. Merz wirkt auf große Teile der Bevölkerung nicht wie ein Hoffnungsträger, sondern wie ein Vertreter vergangener Politik – wirtschaftsliberal, sozial kühl, rhetorisch hart. Wer im Wahlkampf auf Sparkurs macht und später mit großzügigen Versprechen um sich wirft, darf sich über Misstrauen nicht wundern. Gerade in Zeiten wachsender sozialer Spaltung und globaler Krisen erwarten viele Bürger Verlässlichkeit, keine Kehrtwenden im Wochentakt.
Auch die Botschaft an seine Koalitionspartner ist fatal. Wenn ein Kanzlerkandidat nicht einmal bei der eigenen Mehrheit durchmarschiert, dann ist das ein Warnsignal – auch für die SPD, die sich in dieser Regierung mehr Einfluss erhofft hatte. Die Zweifel sind nicht verschwunden, sie haben sich mit dem Wahl-Fiasko eher vertieft.
Merz steht nun an der Spitze eines Landes, das Orientierung sucht – und bekommt einen Regierungschef, dem viele nicht vertrauen. Der Anspruch, das Land zu einen, dürfte unter diesen Vorzeichen schwer einzulösen sein. Ein Kanzler für das Volk? Das muss Merz erst noch beweisen. Der Fehlstart ist gemacht.
Kommentare