Eine aktuelle Umfrage der MOVING Road Safety Association e.V. unter 2.147 Fahrschulen zeigt deutliche Ablehnung gegenüber den Plänen von Verkehrsminister Patrick Schnieder, die Präsenzpflicht im Theorieunterricht abzuschaffen. 83 Prozent der teilnehmenden Fahrschulen bewerten das Vorhaben als negativ bis sehr negativ. Die Branche sieht darin keinen Modernisierungsschub, sondern einen Schritt mit erheblichen Folgen für Ausbildungsqualität und Verkehrssicherheit.
Sorge um Verkehrssicherheit und steigende Kosten
Die Kritik konzentriert sich vor allem auf mögliche Risiken für Fahranfänger. 84 Prozent der Fahrschulen erwarten bei einem rein digitalen Theorieunterricht negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Aus Sicht vieler Betriebe würden zentrale Lerninhalte nicht ausreichend verankert, soziale Interaktion und diskursive Elemente verloren gehen und wichtige Einstellungs- und Verhaltensfragen nicht mehr angemessen vermittelt.
Auch das Kostenargument des Ministeriums überzeugt die Branche kaum. Über 90 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass ein vollständig digitaler Theorieunterricht den Führerschein nicht günstiger macht – viele rechnen im Gegenteil mit zusätzlichen Kosten. Besonders problematisch erscheint, dass theoretische Defizite nach Einschätzung von 91 Prozent künftig während der praktischen Fahrstunden ausgeglichen werden müssten. Das verlängert die Ausbildung und verteuert sie weiter.
Branche favorisiert Präsenz oder Mischmodelle
Nur sechs Prozent der Fahrschulen unterstützen einen rein digitalen Theorieunterricht. Dieser Wert ist seit Jahren nahezu unverändert: Bereits 2022 lagen die Zustimmungswerte ähnlich niedrig. Rund 40 Prozent sprechen sich für „Blended Learning“ aus, also eine Kombination aus Präsenz- und Onlineanteilen. Mehr als 30 Prozent möchten ausschließlich in Präsenz unterrichten, während knapp ein Viertel unentschlossen ist.
Experten warnen vor Lücken beim Sicherheitswissen
Fahrlehrer und Experten kritisieren seit Längerem die Vorstellung, theoretische Grundlagen vollständig digital vermitteln zu können. Sascha Fiek, Fahrlehrer und Betreiber mehrerer Fahrschulen im Raum Freiburg, betont, dass sicherheitsrelevante Einstellungen, Risikoerfahrungen und emotionale Lernprozesse Präsenz benötigen. Wenn diese Aspekte fehlen, steige die Gefahr, dass Fahranfänger kritische Situationen schlechter einschätzen und anfälliger für Unfälle werden.
Neurowissenschaftler Manfred Spitzer warnt ebenfalls vor verkürzter Lernlogik: Reines Auswendiglernen genüge nicht – Wissen müsse vernetzt und anwendungsorientiert sein. Digitale Formate könnten dies nur begrenzt leisten.
Warnsignal für die Verkehrspolitik
Für MOVING-Präsident Jörg-Michael Satz senden die Ergebnisse ein klares Signal an den Gesetzgeber. Der Präsenzunterricht sei ein zentraler Baustein der Fahrschulausbildung, der nicht ohne Folgen gestrichen werden könne. Die Umfrage zeige, dass eine Abschaffung der Präsenzpflicht mit höheren Kosten und niedrigeren Sicherheitsstandards einhergehen könnte. Eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik müsse diese Risiken berücksichtigen, bevor Entscheidungen getroffen werden.


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