Vorstoß zur Mindestlohnsenkung für Saisonarbeitskräfte spaltet Agrarpolitik: Kritik an Bauernverband wächst

Salaternte (über zoranm)
Salaternte (über zoranm)

Der Vorstoß von Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), den gesetzlichen Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte auf 80 Prozent zu senken, sorgt für politische und gesellschaftliche Diskussionen. Während Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) sich offen für die Forderung zeigt, stößt der Vorschlag insbesondere bei der SPD sowie bei Gewerkschaften auf deutliche Kritik.

Auch aus der bäuerlichen Praxis und von jungen Vertreterinnen der Landwirtschaft kommt Widerspruch. Inka Baumgart, angestellte Landwirtin auf einem Milchviehbetrieb in Nordhessen und Mitglied der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, kritisiert: „Anstatt sich für eine stärkere Verhandlungsposition bäuerlicher Betriebe gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel einzusetzen und für ein Ende der Spekulation mit Ackerland zu lobbyieren, fordert der Bauernverband eine Ausnahme vom Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte.“

Baumgart warnt zudem vor möglichen Folgeentwicklungen. „Wenn das durchgeht, werden wir morgen erleben, wie diese Ausnahme auf weitere Beschäftigte in der Landwirtschaft ausgeweitet wird. Als junge, angestellte Landwirtin kann ich diesen Vorschlag deshalb nur verurteilen.“

Besonders problematisch sei, so Baumgart, dass die wirtschaftlichen Lasten entlang der Lieferkette ungleich verteilt würden. „Am Anfang der Lieferkette stehen Saisonarbeitskräfte, für die jetzt der Mindestlohn ausgesetzt werden soll. Am Ende der Lieferkette stehen Verbraucher im Supermarkt, die sich die Erdbeeren nicht leisten können. Das heißt, irgendwo zwischen der Arbeit auf dem Feld und dem Einkauf im Supermarkt macht jemand sehr viel Profit. Profit auf Kosten der Arbeiter und der Verbraucher.“

Auch Maya Esch, Landwirtschaftsstudentin aus Eberswalde und ebenfalls Mitglied der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, äußert sich kritisch: „Die Landwirtschaft wird zwischen steigenden Pacht- und Kaufpreisen von Ackerland auf der einen und Preisen, die vom Lebensmitteleinzelhandel diktiert werden und nicht einmal die Produktionskosten decken, auf der anderen Seite zerquetscht.“ Der Vorschlag zur Absenkung des Mindestlohns greife laut Esch nicht die Ursachen der wirtschaftlichen Schieflage auf: „Statt das Problem an der Wurzel zu packen und das Agrar- und Ernährungssystem grundsätzlich fairer zu gestalten, zeigen sich Alois Rainer und die Union offen, durch eine Aussetzung des Mindestlohns den Druck an die Saisonarbeitskräfte weiterzugeben.“

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft äußerte sich bislang nicht konkret zu möglichen Gesetzesinitiativen, stellte jedoch klar, dass Gespräche mit dem DBV und anderen Verbänden zu den wirtschaftlichen Herausforderungen in der Landwirtschaft fortgeführt würden.

Die Debatte um faire Löhne und die Verteilung wirtschaftlicher Verantwortung entlang der Agrarlieferkette dürfte damit weiter an Dynamik gewinnen.

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