Mehr Elektroautos, mehr Autos – und kein Ausweg aus dem Verkehrschaos

Verkehrschaos (über ehsan ahmadnejad)
Verkehrschaos (über ehsan ahmadnejad)

Das Kraftfahrtbundesamt hat heute die aktuellen Zahlen zu den Neuzulassungen mit alternativem Antrieb veröffentlicht – und die Politik feiert weiter: Mehr Elektroautos, mehr Plugin-Hybride, ein vermeintlicher Schritt in Richtung klimafreundlicher Mobilität. Doch Stimmen aus der Mobilitätswende-Community zeigen sich ernüchtert. Ihre Botschaft: Die bloße Umstellung des Antriebs wird die Klimakrise nicht lösen – im Gegenteil.

Zahlenspiele statt Systemwechsel

Miriam Caroli, Vorständin des gemeinwohlorientierten Carsharing-Anbieters Stadtmobil Rhein-Neckar AG, benennt das Dilemma deutlich: „Unabhängig von der Antriebsart steigen sowohl die Neuzulassungen als auch die Gesamtzahl der in Deutschland zugelassenen PKW seit Jahren weiter an.“ Zwar wachse der Anteil der Elektrofahrzeuge, doch das reiche bei weitem nicht aus, um von einer echten Verkehrswende zu sprechen. „Das eigentliche Problem ist die Anzahl der in Deutschland zugelassenen Autos – rund 50 Millionen – unabhängig von ihrer Antriebsart. Die Zahl der Autos müsste drastisch sinken, um Klimaziele noch erreichen zu können – das Gegenteil ist der Fall.“

Auch Mobilitätsexpertin und Bestseller-Autorin Katja Diehl kritisiert die symbolhafte Aufladung technischer Lösungen. Sie erkennt in den steigenden Zulassungszahlen kein Zeichen für Fortschritt, sondern vielmehr für politisches Scheitern: „Die deutsche Verkehrspolitik und die Autoindustrie sind immer noch im Wachstumsdiktat verfangen und verkaufen nur höhere Zulassungszahlen als Erfolg.“ Dabei sei offensichtlich, dass marode Bahn-Infrastruktur und ein massiver Mangel an sicheren Radwegen Menschen faktisch zur Autofahrt zwingen. „Stattdessen wird weiterhin das Märchen erzählt, dass alle, die im Auto sitzen, das frei gewählt hätten.“

Für den Aktivisten, Autor und Filmemacher Tobi Rosswog ist klar: Elektromobilität allein wird das Problem nicht lösen – im Gegenteil. „E-Autos sind eine Scheinlösung“, sagt er. „Aktuell gibt es rund 50 Millionen zugelassene Autos in Deutschland. Das Ziel kann nicht sein, einfach alle zu elektrifizieren. Denn das System Auto ist das Problem.“ Rosswog plädiert für eine radikale Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und fordert eine echte Verkehrswende: „Es braucht keine Antriebswende, sondern eine Verkehrswende, um das Recht auf Mobilität wieder für alle zu ermöglichen.“

Fazit: Der Elefant im Raum bleibt unberührt

Die heute veröffentlichten Zahlen des KBA zeigen erneut: Deutschland fährt in die falsche Richtung – mit Strom statt Benzin, aber immer noch auf derselben Spur. Die Zahl der Autos steigt, der Platz in den Städten wird enger, der Ressourcenverbrauch bleibt hoch. Die Verkehrswende, wie sie viele Experten fordern, bedeutet nicht nur neue Technologie, sondern vor allem neue Denkmuster: weniger Autos, mehr geteilte Mobilität, Investitionen in Bahn und Rad, und ein Abschied vom Autonormalzustand. Das wäre ein echter Fortschritt – nicht nur auf dem Papier.

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