Sechs Jahre „Rettet die Bienen!“ – Zwischenbilanz zeigt Licht und Schatten

Blick aufs Land (über AXIO-IMAGES)
Blick aufs Land (über AXIO-IMAGES)

Vor genau sechs Jahren, am 17. Juli 2019, verabschiedete der Bayerische Landtag das neue Naturschutzgesetz auf Grundlage des Volksbegehrens Artenvielfalt – „Rettet die Bienen!“. Es war das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns und ein Meilenstein für den Umwelt- und Naturschutz. Heute zieht der Trägerkreis, bestehend aus ÖDP, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV), Bündnis 90/Die Grünen und der Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS), Bilanz – mit gemischtem Fazit.

Fortschritte sichtbar – aber bei weitem nicht genug

Unbestritten ist: Seit 2019 wurde die finanzielle und personelle Ausstattung des Naturschutzes deutlich verbessert. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV, spricht von über 100 Millionen Euro zusätzlicher Mittel, die vor allem auch Landwirten zugutekommen. „Die Förderung der Biodiversität ist für viele Bauern ein finanzielles Standbein geworden“, betont Schäffer. Doch er warnt zugleich: Lücken in der Finanzierung treffen nicht nur den Naturschutz, sondern auch die Landwirtschaft selbst. Der Appell an die Staatsregierung ist klar – ein dauerhaftes finanzielles Bekenntnis zum Naturschutz müsse sich auch im kommenden Doppelhaushalt wiederfinden.

Biolandwirtschaft: Ziele verfehlt, Zeit wird knapp

Besonders kritisch sieht der Trägerkreis die Entwicklung im Bereich der Biolandwirtschaft. Laut Gesetz soll der Anteil bis 2030 auf 30 Prozent steigen. Ein Zwischenziel von 20 Prozent bis Ende 2025 wird laut ÖDP-Landesvorsitzender Agnes Becker „mit Sicherheit verfehlt“. Becker fordert von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber einen klaren Fünf-Punkte-Plan: Dazu gehören unter anderem eine verbindliche Bio-Quote von 30 Prozent in öffentlichen Kantinen, eine verstärkte Forschung zum Ökolandbau, sowie eine verbindliche Gentechnikfreiheit.

Ein Positivbeispiel findet sich ausgerechnet im Haus der Ministerin: In der Kantine des Landwirtschaftsministeriums liegt der Bio-Anteil bereits bei über 50 Prozent. „Warum nicht auch in allen anderen öffentlichen Einrichtungen?“, fragt Becker. „Wir sprechen hier von rund einer Million Essen pro Tag – ein gewaltiger Hebel für mehr Bio in Bayern.“

Politischer Stillstand gefährdet Umsetzung

Kritik kommt auch vom Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags, Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Die Grünen). Er wirft der Staatsregierung vor, Zielvorgaben aus Bequemlichkeit zu relativieren: „Überall dort, wo Naturschutz unbequem wird, werden Ziele als utopisch und Maßnahmen als Bürokratiemonster dargestellt.“ Dabei könne Bayern zeigen, wie sich die EU-Wiederherstellungsverordnung mit bestehenden Landeszielen in Einklang bringen ließe – wenn der politische Wille da wäre.

Pestizideinsatz: Halbierung bis 2028 wackelt

Ein weiteres zentrales Ziel des Gesetzes: Die Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2028. Doch laut Claus Obermeier, Vorstand der GLUS, ist der Handlungsdruck nach wie vor enorm. Notfallzulassungen wie jüngst für ein Insektizid gegen die Schilf-Glasflügelzikade seien „keine dauerhafte Lösung“. Auch gesundheitliche Risiken unterstreichen den Reformbedarf. „Wir brauchen eine Landwirtschaft, die weniger abhängig von chemischen Mitteln ist – die Biolandwirtschaft zeigt uns täglich, dass es geht.“

Wissenschaft sieht gemischte Bilanz

Roman Lenz von der Hochschule Nürtingen-Geislingen fasst die aktuelle Entwicklung in Zahlen: Von elf bewerteten Indikatoren zum Naturschutz befinden sich nur fünf im grünen Bereich, vier hingegen im roten. Besonders bedenklich: Die Förderflächen für Gewässerrandstreifen und Blühstreifen sind rückläufig. Die Ursachen dafür seien noch unklar, müssten aber dringend analysiert und korrigiert werden.

Fazit: Jetzt ist entschlossenes Handeln gefragt

Der Trägerkreis des Volksbegehrens macht deutlich: Nur mit einem Dreiklang aus freiwilligen Maßnahmen, klarer Gesetzgebung und verlässlicher Finanzierung kann die Artenvielfalt in Bayern langfristig gesichert werden. Die großen Aufgaben – Ausbau des Biotopverbundes, Förderung der Biolandwirtschaft und Reduktion von Pestiziden – sind nur gemeinsam mit Landwirtschaft und Politik zu bewältigen. Halbherzigkeit sei keine Option, so der Tenor. Jetzt sei es an der Bayerischen Staatsregierung, Mut, Weitsicht und Entschlossenheit zu zeigen – um den Geist des Volksbegehrens in eine nachhaltige Zukunft zu tragen.

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