
Elektrofahrzeuge verbringen den Großteil ihres Lebens geparkt – für konventionelle Nutzer bedeutet das ungenutzte Kapazitäten. Mit bidirektionalem Laden jedoch erwacht ihr Akku zum Leben: Strom fließt nicht nur ins Auto, sondern bei Bedarf auch wieder heraus. So könnten E-Autos nicht nur den heimischen Verbrauch decken, sondern das öffentliche Netz entlasten.
Elektromobilität als flexibler Energiespeicher
Anstatt Tag und Nacht auf den nächsten Einsatz zu warten, könnten Elektroautos bereits heute als mobile Stromreserve funktionieren. Robin Zalwert, Referent für nachhaltige Mobilität beim TÜV-Verband, bringt es auf den Punkt: „Bidirektionales Laden macht das E-Auto nicht nur zu einem Fortbewegungsmittel, sondern auch zu einem mobilen Stromspeicher. Wenn wir die Batterien von Elektroautos intelligent nutzen, können sie zu einem wichtigen Baustein der Energiewende werden – und Verbraucher sparen Stromkosten.“
Vier Varianten des bidirektionalen Ladens
- Vehicle-to-Load (V2L): Das Auto liefert direkt Strom für Verbraucher wie Werkzeug, Kühlschrank oder Camping-Equipment – ideal beim Outdoor-Einsatz.
- Vehicle-to-Vehicle (V2V): Ein E-Auto hilft einem anderen bei leerer Batterie aus, indem es Energie direkt transferiert.
- Vehicle-to-Home (V2H): Solar- oder Netzstrom wird tagsüber im Fahrzeug gespeichert und abends fürs Zuhause genutzt.
- Vehicle-to-Grid (V2G): Die gespeicherte Energie fließt zurück ins öffentliche Netz, um Spitzenlasten abzufedern und die Netzstabilität zu sichern.
Während V2L und V2V bereits heute in vereinzelten Serienmodellen eingesetzt werden, befinden sich V2H und V2G in Deutschland noch in Pilotstadien.
Technische Voraussetzungen für die Rückspeisung
Damit ein E-Auto bidirektional laden kann, sind drei Voraussetzungen nötig:
- Fahrzeugkompatibilität: Aktuell unterstützen vor allem CHAdeMO-Fahrzeuge (z. B. Nissan LEAF, Mitsubishi Outlander) bidirektionales Laden. Der europäische CCS-Standard rüstet Modelle wie Hyundai Ioniq 5, Kia EV6 und BMW i4 ab 2027 mit ISO 15118-20 nach.
- Bidirektionale Ladestation: DC-Wallboxen, die nicht nur Gleichstrom einspeisen, sondern auch zurückspeisen können, inklusive intelligentem Energiemanagement und Wechselrichter für AC-Haushaltsstrom. Anschaffungskosten liegen derzeit bei 4.000–6.000 Euro.
- Netzintegration und Sicherheit: Lokale Verteilnetze müssen Rückspeisung technisch verkraften. Intelligente Lastmanagementsysteme sorgen dafür, dass weder Netzstabilität noch Verbrauchersicherheit gefährdet werden.
Rechtliche und wirtschaftliche Hürden
Obwohl in Deutschland rund 166.000 E-Fahrzeuge bereits bidirektional ladetechnisch gerüstet sind (Stand Oktober 2024), fehlt es an einheitlichen Standards, zertifizierten Wallboxen und marktfähigen Tarifen. Aktuell wird eingespeister Strom doppelt mit Steuern und Netzentgelten belastet – ein großer Nachteil für potenzielle Nutzer.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Förderung verankert, und die KfW-Bank bezuschusst bereits bidirektionale Wallboxen. Zudem laufen Pilotprojekte unter dem Dach des Bundeswirtschaftsministeriums, um V2H und V2G praxistauglich zu erproben. Zalwert mahnt jedoch: „Damit bidirektionales Laden Alltag wird, braucht es klare Standards, eine Anpassung der rechtlichen Lage und eine genormte Abstimmung zwischen Fahrzeug, Ladeinfrastruktur und Haustechnik.“
Bidirektionales Laden steckt noch in den Kinderschuhen – doch das Potenzial ist enorm. Wird es gelingen, gesetzliche Hürden zu beseitigen und kosteneffiziente Systeme zu etablieren, könnten Millionen von E-Autos zu dezentralen Speichern werden und einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten.

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