Vom Aussterben bedroht – und jetzt gefragt wie nie: Alte Sorten im Gartentrend

Apfelbaum (über ThomFoto)
Apfelbaum (über ThomFoto)

Mehr Farbe auf dem Teller, mehr Geschmack im Mund – und ein Stück Artenvielfalt im eigenen Garten: Alte Obst- und Gemüsesorten erleben derzeit ein echtes Comeback. Inmitten globaler Lieferketten, Einheitsware im Supermarkt und genormter Ästhetik wächst bei Verbrauchern und Hobbygärtnern der Wunsch nach dem Ursprünglichen, Regionalen, nach Sorten wie „Schöner von Nordhausen“ oder „Wangenheims Frühzwetschge“.

Doch was steckt hinter dem Hype um die „alten Sorten“? Und sind sie wirklich eine gute Wahl für den heimischen Garten? Antworten gibt Gartenbauexperte Lutz Popp vom Bayerischen Landesverband für Gartenbau und Landespflege e. V. (BLGL).

Alte Sorten – was ist das eigentlich?

Rechtlich ist der Begriff nicht definiert, doch in der Praxis steht er für Nutzpflanzen, die oft über Generationen weitervermehrt und kultiviert wurden, heute aber in der kommerziellen Landwirtschaft keine Rolle mehr spielen. „Viele dieser Sorten sind bereits verschwunden – unwiederbringlich“, sagt Popp. Der Grund: Sie bringen unregelmäßige Erträge, sind schwer zu lagern und transportieren und passen nicht ins einheitliche Supermarktschema. Denn der Handel verlangt makellose, normierte Ware. „Statt neue Geschmäcker zu entdecken, wollen viele Verbraucher vor allem eins: dass der Apfel immer gleich aussieht und schmeckt“, so der Fachmann.

Die Sortenvielfalt stirbt im Supermarkt

Tatsächlich sind die Regale in der Obstabteilung oft erstaunlich monoton. Obwohl es weltweit über 20.000 Apfelsorten gibt – und allein in Bayern über 600 verschiedene – schaffen es gerade einmal 20 bis 30 Sorten in relevante Anbaumengen. Warum? Neue Sorten sind Hochleistungspflanzen. Sie wurden gezielt für den industriellen Anbau gezüchtet – robust, ertragreich, haltbar. Alte Sorten dagegen überleben, wenn überhaupt, auf Streuobstwiesen, bei Direktvermarktern oder auf Wochenmärkten. Und genau dort beginnt oft ihre Renaissance.

Mythos und Wahrheit: Sind alte Sorten besser?

Alten Sorten wird oft fast schon magische Wirkung nachgesagt – besonders im Hinblick auf die Verträglichkeit. Doch das sei ein Irrtum, warnt Popp: „Dass alte Apfelsorten generell besser für Allergiker geeignet sind, stimmt so nicht. Es kommt immer auf die einzelne Sorte an – unabhängig vom Alter.“ Dennoch bleibt ihre Bedeutung groß: als genetische Schatzkammer für künftige Züchtungen, insbesondere in Zeiten des Klimawandels. „Ihr Erbgut enthält Eigenschaften, die für neue, angepasste Sorten entscheidend sein können“, erklärt Popp.

Für den Garten geeignet – aber nicht ganz ohne Risiko

Der Trend macht auch vor Hobbygärten nicht Halt. Saatguthändler bieten inzwischen zahlreiche alte Sorten an. Doch die Wahl sollte wohlüberlegt sein. „Nicht jede alte Sorte passt zu jedem Gartenstandort“, betont der Experte. Eine Standortanalyse, eine Checkliste mit gewünschten Eigenschaften und die Beratung im Fachhandel helfen weiter. Viele alte Sorten sind zudem anfällig für Krankheiten wie Mehltau oder Feuerbrand – was im schlimmsten Fall zu Totalausfällen führen kann.

Übrigens: Auch moderne Profi-Sorten sind meist keine Lösung. Sie benötigen Pflanzenschutzmittel, die im Hausgarten nicht zugelassen sind. Die bessere Wahl: eine kluge Kombination. „Es geht nicht darum, Alt gegen Neu auszuspielen“, so Popp. „Es geht darum, robuste, regional bewährte alte Sorten mit gezielt gezüchteten, modernen Sorten zu kombinieren.“ Letztere seien oft widerstandsfähiger und qualitativ überlegen – und könnten die Schwächen alter Sorten gut ausgleichen.

Vielfalt mit Verantwortung

Die Rückkehr alter Sorten ist mehr als ein romantischer Garten-Trend – sie ist auch ein Statement für Vielfalt, Nachhaltigkeit und regionale Identität. Wer sie im eigenen Garten kultivieren will, sollte das nicht aus purer Nostalgie tun, sondern mit Wissen und Weitblick. Denn auch wenn der „Schöne von Nordhausen“ auf dem Etikett steht – ein bisschen Vorbereitung gehört dazu, damit die alte Pracht auch wirklich gedeiht.

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