Es gibt Fragen von großer Tragweite: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und natürlich: Wie alt ist der Nürnberger Christkindlesmarkt nun wirklich? Antwort: Es kommt darauf an, wie man die dritte Ziffer einer Tintenklecksschrift interpretiert. Nürnberg diskutiert aktuell ernsthaft über die Frage, ob der berühmte Weihnachtsmarkt 2028 seinen 350. oder seinen 400. Geburtstag feiern darf. Und damit wäre eigentlich schon alles über die deutsche Liebe zur Genauigkeit gesagt.
Ein Schächtelchen als Beweisstück
Im Zentrum der Debatte steht eine Spanschachtel, ungefähr so imposant wie ein Federmäppchen – aber wissenschaftlich gesehen offenbar ein nationales Kulturgut. Darauf eine Widmung, deren Jahreszahl zwischen 1628 und 1678 schwankt. Ein Tintenklecks verhindert Gewissheit. Das Stadtarchiv hat nun geprüft: Die beteiligten Damen, Regina Susanna Harsdörffer und ihre Freundin Susanna Eleonora Elbs, waren 1628 schlicht noch nicht geboren. Damit ist die Sache entschieden: 1678.
Aus 400 werden 350 – und das ist völlig in Ordnung (angeblich)
Die Stadt Nürnberg war lange davon ausgegangen, 2028 die „magischen 400 Jahre“ feiern zu können. Jetzt wird es „nur“ das 350. Jubiläum. Oberbürgermeister Marcus König nimmt es sportlich und verweist darauf, dass der Markt ohnehin „immer jung bleibe“. Was auch stimmt: Ein bisschen Glühwein, ein bisschen „O du fröhliche“ – und schon zählt sowieso keiner mehr nach.
Weihnachtliche Identität, Zahlen hin oder her
Der Christkindlesmarkt bleibt, was er ist: ein Symbol der Stadt, ein winterliches Ritual, ein Postkartenmotiv und ein Ort, an dem Menschen jährlich lernen, dass gebrannte Mandeln mittlerweile fast so teuer sind wie ein Tagesausflug nach Venedig. Und die wichtigste Erkenntnis: Tradition misst sich nicht in Jahren, sondern in Gefühl – und in Schlangen vor dem Stand mit den Nürnberger Elisenlebkuchen.


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