Der Kanzler präzisiert – doch der Kern seiner Botschaft bleibt: Migration ja, aber bitte unsichtbar. Deutschland brauche Zuwanderung, sagt er, gleichzeitig spricht er von einem „Problem im Stadtbild“. Diese Rhetorik ist nicht Präzisierung, sondern kalkulierte Verschiebung. Sie bedient diffuse Ängste, während sie die Realität ignoriert.
Die Realität sieht so aus: Fast ein Drittel der Bevölkerung hat eine Einwanderungsgeschichte. Millionen Menschen arbeiten längst in diesem Land – in Jobs, die sonst niemand machen will oder kann. Sie pflegen unsere Eltern, backen unser Brot, fahren unsere Pakete, bauen unsere Häuser und halten den Laden am Laufen. Ohne sie würde der Fachkräftemangel zum Stillstand der Republik führen. Wer Migration zugleich als notwendig und als „Störung im Stadtbild“ beschreibt, betreibt nicht Aufklärung – sondern Brandbeschleunigung.
Das eigentliche Problem deutscher Innenstädte sind nicht migrantische Gesichter, sondern geschlossene Läden, steigende Mieten, Monokulturen aus Filialketten und Immobilienfonds, die sich an Renditen statt am öffentlichen Leben orientieren. Wenn also jemand das Stadtbild verändert, dann nicht die, die Obststände betreiben, kleine Cafés eröffnen oder Barbershops aufmachen – sondern die, die sich aus Verantwortung verabschiedet haben.
Die Angst vieler Menschen ist real. Aber sie hat Ursachen: Mieten, die explodieren. Löhne, die stagnieren. Pflegekräfte, die fehlen. Kitas, die mangels Personal schließen. Ein öffentlicher Raum, der verfällt. Wer all das ignoriert und stattdessen über „Stadtbild“ redet, verwechselt Symptome mit Feindbildern – oder tut es mit Absicht.
Deutschland steht an einem Wendepunkt. Entweder es begreift Migration als das, was sie ist – Teil der Lösung für Arbeitsmarkt, demografischen Wandel und soziale Sicherungssysteme. Oder es verliert sich weiter in Symbolpolitik, die laut klingt, aber nichts repariert. Die Frage ist nicht, ob wir Migration wollen. Wir haben sie längst. Die Frage ist, ob wir sie gestalten – oder mit Schlagworten bekämpfen, bis niemand mehr kommt, der dieses Land noch am Arbeiten hält.
Wer über „Stadtbilder“ spricht, aber die Menschen dahinter nicht sieht, betreibt keine Politik – sondern Kulisse.


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