
Das Fernsehen steht an einem historischen Wendepunkt. Streamingdienste verdrängen lineare Formate, Künstliche Intelligenz verändert Produktion und Ausspielung und die Zuschauerzahlen traditioneller Sender sinken zwar langsamer als befürchtet, aber wer glaubt, alles könne bleiben wie es ist, verkennt die Realität. Der große Umbruch ist da und er zwingt Sender, Produzenten und Unternehmen, alte Gewissheiten über Bord zu werfen.
Rund 80 Prozent der Deutschen nutzen bereits einen Streamingdienst wie Netflix, Amazon, RTL Plus oder Joyn. Die größte Zunahme verzeichnete dabei die Altersgruppe der 35-54-Jährigen, also genau die “werberelevante” Zielgruppe der privaten TV-Sender. Das bisher gut laufende Geschäft mit den linearen Werbespots droht zum Auslaufmodell zu werden.
Die entscheidende Frage lautet also nicht mehr, ob sich Fernsehen verändert, sondern wie radikal dieser Wandel ausfallen muss, damit es relevant bleibt. Denn eines ist klar: Die Generation, die heute zwischen TikTok und Netflix pendelt, lässt sich nicht mit Konzepten aus den 90ern ködern.
Fernsehen muss sich neu erfinden
Klassische Fernsehstrukturen waren jahrzehntelang stabil: Sendezeiten, Zielgruppen, klar abgegrenzte Genres. Doch diese Mechanik funktioniert in einer On-Demand-Welt nicht mehr. Zuschauer wollen entscheiden, was sie sehen, wann sie es sehen und auf welchem Gerät.
Die Folge: Formate, die nicht flexibel sind, verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Wer Fernsehen heute erfolgreich gestalten will, muss Inhalte plattformübergreifend denken. Das bedeutet nicht nur eine Anpassung der Technik, sondern ein Umdenken in der gesamten Dramaturgie – vom Erzähltempo bis zur Interaktion mit dem Publikum.
Streaming und KI
Streaming hat die Spielregeln geändert. Plattformen wie Netflix, Amazon Prime oder DAZN bieten grenzenlosen Zugriff, personalisierte Empfehlungen und internationale Produktionen – alles, was klassische Sender meist nicht liefern können. Lediglich die großen privaten Sender sind mit eigenen Streaming-Plattformen auf die Zukunft vorbereitet. Im Vergleich zu den großen Playern sind die Abozahlen aber noch weit entfernt. Branchenkenner schätzen die Zahl der Abonnenten von Netflix in Deutschland auf 16 Millionen. Amazon Prime versammelt rund 13 Millionen User und RTL wird nach der Übernahme von Sky auf rund 7 Millionen zahlende Kunden kommen.
Hinzu kommt die Künstliche Intelligenz, die nicht nur im Marketing, sondern auch in der Content-Entwicklung Einzug hält. Von der Analyse des Zuschauerverhaltens bis zum automatisierten Videoschnitt – KI eröffnet völlig neue Produktionswege. Das spart Kosten, birgt aber auch Risiken: Wer sich blind auf Algorithmen verlässt, verliert leicht das Gespür für echte Geschichten. Dennoch haben auch hier die amerikanischen Riesen die Nase weit vorne. Sie sitzen in Amerika quasi direkt an der Quelle und werden auch den Produktionsmarkt dominieren.
Was Unternehmen aus dem Umbruch lernen können
Für Unternehmen, egal ob klein oder groß, ist dieser Wandel jedoch eine enorme Chance. Fernsehen ist nicht mehr allein die Bühne der großen Marken. Regionale Sender, Nischenformate und hybride Ausspielwege bieten Platz für authentische Unternehmensgeschichten und das zu deutlich geringeren Kosten als früher.
Wer jetzt mutig ist, kann sich im TV als Experte oder Marke positionieren, während andere noch zögern. Wichtig ist, dass man nicht wie ein klassischer Werbetreibender auftritt, sondern echten Mehrwert liefert: Hintergrundwissen, Einblicke, Geschichten mit Charakter. In einer fragmentierten Medienlandschaft punktet nicht die lauteste, sondern die glaubwürdigste Stimme. So gesehen, leben die Prinzipien des Fernsehens eben doch weiter und sind für Unternehmen extrem wertvoll. Wer Geschichten in bewegten Bildern erzählen kann, der erobert die Herzen der Konsumenten im Sturm. Wer es nicht kann (und nicht versucht) wird in der Bedeutungslosigkeit bleiben.
Praxisbeispiele, die Mut machen
Einige Unternehmer haben den Sprung bereits gewagt und davon profitiert. Der Immobilienmakler Marcel Remus nutzte TV-Formate, um sich als Luxusmakler auf Mallorca zu etablieren. Wenn er eine neue Immobilie übernimmt ,wird zuerst ein aufwändiges Youtube-Video erstellt. Die Immobilie wird emotional präsentiert. Und der Host ist eben Marcel Remus. Heute ist er nicht nur in seinem Kerngeschäft erfolgreich, sondern eine Marke mit eigenen Events und Social-Media-Reichweite.
Der Textilunternehmer Wolfgang Grupp wiederum hat durch konsequente TV-Präsenz – von Talkshows bis zu markanten Werbespots – Trigema zu einem Synonym für „Made in Germany“ gemacht. Sein Erfolgsgeheimnis: klare Haltung, Wiedererkennung und die Bereitschaft, auch kritische Positionen zu vertreten.
„Fernsehen befindet sich gerade in einer Phase, in der Mut und Klarheit über Erfolg oder Misserfolg entscheiden“, sagt TV-Experte Axel Link. „Wer nur das Alte kopiert, verliert. Wer aber authentisch auftritt und plattformübergreifend denkt, kann in dieser neuen Medienwelt enorm gewinnen.“
Diese Haltung gilt für Sender ebenso wie für Unternehmen. Es ist die Kombination aus Authentizität, strategischer Planung und technischer Anpassungsfähigkeit, die über die Relevanz im neuen TV-Zeitalter entscheidet.
Herausforderungen und Chancen für Sender
Auch Sender müssen umdenken. Es reicht nicht, lineare Inhalte einfach ins Netz zu kopieren. Formate müssen modularer werden, damit sie auf YouTube, Instagram oder Mediatheken ebenso funktionieren wie im Hauptprogramm. Interaktivität, Live-Komponenten und Community-Building sind keine Spielerei mehr, sondern Pflicht.
Gleichzeitig bleibt die Stärke des Fernsehens bestehen: Es bietet einen redaktionellen Rahmen, der Vertrauen schafft. Social Media wird von Fake News und Clickbait überflutet. Und genau das ist ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil.
Der Schlüssel ist Authentizität
Ob Sender oder Unternehmen – die Zukunft des Fernsehens hängt an einem zentralen Punkt: Glaubwürdigkeit. Zuschauer wollen keine austauschbaren Hochglanzfassaden, sondern Menschen, die für etwas stehen. Das gilt für die Moderatorin einer politischen Talkshow genauso wie für den Handwerksbetrieb, der im Regionalmagazin vorgestellt wird.
Authentizität ist nicht planlos, sie ist strategisch. Sie bedeutet, eine klare Botschaft zu haben und diese konsequent über alle Kanäle hinweg zu vertreten. Wer das meistert, wird im Fernsehen nicht nur gesehen, sondern erinnert.

Kommentare