Tiergarten Nürnberg: „Wir bitten um Verständnis“ – Wie der Tod von zwölf Pavianen zur Randnotiz degradiert wird

Paviane (über ApuuliWorld)
Paviane (über ApuuliWorld)

Der Tiergarten Nürnberg hat am 29. Juli zwölf Guinea-Paviane getötet – durch Kugelschuss. Am gleichen Abend verkündet er nüchtern: „Wir haben wieder geöffnet. Die Öffnungszeiten sind von 8 bis 19.30 Uhr.“ Und, als wäre das Geschehene nicht mehr als eine kurzfristige Baustelle: „Wir bitten nochmals um Verständnis und um Entschuldigung für die entstandenen Unannehmlichkeiten.“

Was als nüchterne Serviceinformation formuliert ist, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als kommunikativer Offenbarungseid. Während man sich auf der Pressekonferenz noch sichtbar bemühte, das moralische Dilemma zu erklären, sich in ausführlichen Rechtfertigungen verlor und um Verständnis warb, wirkt die abendliche Pressemitteilung wie blanker Zynismus. Als habe man nicht gerade zwölf fühlende Lebewesen erschossen, sondern lediglich den Streichelzoo gewienert oder ein Gehege neu gestrichen.

Zwölf Tiere wurden getötet – nicht eingeschläfert aus medizinischen Gründen, sondern gezielt und mit Vorankündigung erschossen, weil sie nicht mehr in ein Haltungskonzept passten. Und nun geht man zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen. „Der Zoo öffnet wieder. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Ist das noch Öffentlichkeitsarbeit – oder bereits aktive Verdrängung?

Diese beiläufige Sprache ist nicht nur taktlos, sie offenbart ein Grundproblem: Eine Kultur des Verrechnens. Da werden Lebewesen in Bestandszahlen gepresst, zu logistischen Faktoren im Zuchtprogramm degradiert – und letztlich wie überschüssige Posten abgewickelt. Die Entscheidung mag juristisch gedeckt sein, organisatorisch abgestimmt, veterinärmedizinisch dokumentiert. Aber sie ist – und bleibt – moralisch verstörend. Umso mehr, wenn ihre Konsequenzen am Folgetag unter dem Etikett „Unannehmlichkeiten“ zusammengefasst werden.

Und was sind das eigentlich für „Unannehmlichkeiten“? Dass ein Kind mit seiner Schulklasse am 29. Juli vor verschlossenen Zoo-Toren stand? Dass ein Paar seinen geplanten Besuch verschieben musste? Wenn das die definierte Unannehmlichkeit ist, dann fragt man sich, in welcher ethischen Gewichtsklasse eigentlich die Tötung von zwölf fühlenden Wesen rangiert.

Das System Zoo steckt in einem tiefgreifenden Konflikt zwischen Zuchtauftrag und räumlicher Begrenzung. Doch was die Kommunikation des Tiergartens Nürnberg offenbart, reicht weit über strukturelle Fragen hinaus. Es geht um Haltung. Um die Bereitschaft, Verantwortung nicht nur administrativ, sondern auch moralisch zu tragen. Und genau hier ist ein Bruch sichtbar geworden – nicht nur mit dem Ideal des Tierschutzes, sondern auch mit dem Vertrauen der Öffentlichkeit.

Stattdessen erleben wir eine banalisiertes Weiter-so. „Ab morgen wieder geöffnet“ – als wäre nichts gewesen. Kein Hinweis auf Gedenk- oder Diskussionsangebote. Kein offener Raum für gesellschaftliche Debatte. Keine Einladung zur Auseinandersetzung. Nur Öffnungszeiten.

Was bleibt, ist der Eindruck eines Betriebs, der zwölf getötete Paviane verwaltet wie einen kurzfristigen Stromausfall – professionell, effizient, seelenlos. Und der damit jede Chance verspielt, aus einem ethischen Desaster zumindest eine Debatte über Tierethik im 21. Jahrhundert anzustoßen.

Die Tötung der Paviane war ein Tiefpunkt. Doch die Nachbereitung macht alles noch schlimmer. Wer Tierleben auslöscht und dann am gleichen Tag nur über Öffnungszeiten spricht, zeigt, wie weit sich der Zooalltag von echter Verantwortung entfernt hat. Und das ist nicht nur ein Kommunikationsproblem. Das ist ein moralischer Bankrott.

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