
Rund 12,5 Milliarden unerwünschte Anrufe weltweit – allein im ersten Quartal 2025. Das sind 137 Millionen täglich. Ein gigantisches Ausmaß digitaler Belästigung, das längst kein Randphänomen mehr ist, sondern Alltag für Millionen. Auch hierzulande. Mehr als 420.000 gemeldete Spam-Anrufe allein im Mai – und eine Dunkelziffer, die mutmaßlich um ein Vielfaches höher liegt. Dass viele Betroffene inzwischen von „Telefonterror“ sprechen, ist kein Zufall. Dass dieser als „von den Behörden geduldet“ empfunden wird, ist ein politisches Armutszeugnis.
Während andere Länder längst systematisch gegen den Missbrauch unserer Telefonleitungen vorgehen, wirkt Deutschland wie ein digitaler Entwicklungsstaat im Schatten seiner eigenen Regelwerke. Die Bundesnetzagentur tut, was sie kann – doch ohne flächendeckende Ressourcen, klare gesetzliche Standards und ein echtes politisches Mandat bleibt sie ein zahnloser Tiger. Gesperrte Nummern? Ein Tropfen auf den heißen Draht. Bußgeldverfahren? Gut gemeint, aber zu selten wirksam.
Dabei mangelt es nicht an Vorbildern. Schottland zeigt mit kostenlosen Call-Blockern für Senioren und Frühwarnsystemen, wie sozialer Schutz in der digitalen Welt funktionieren kann. Kanada beweist, dass technische Standards wie STIR/SHAKEN und Transparenz durch Aufklärungskampagnen das Vertrauen in den Staat stärken können. Frankreich regelt mit gesetzlichen Werbeverboten für Hochrisikobranchen, was hierzulande seit Jahren unkontrolliert floriert: der Missbrauch von Energiethemen für telefonischen Betrug. Und die USA? Sie blockieren Spam-Anrufe gleich netzseitig – bevor sie überhaupt beim Endgerät ankommen.
Deutschland hingegen diskutiert – und das auf Sparflamme. Was fehlt, ist politischer Gestaltungswille. Es braucht endlich einen Dreiklang aus verpflichtender Technik, gezielter Sozialprävention und klarer Gesetzgebung. Es reicht nicht, auf Papier zu verbieten, was in der Realität ungestraft bleibt. Wer vulnerable Gruppen nicht schützt, ihre Daten nicht sichert und ihre Kommunikationswege nicht absichert, macht sich mitschuldig an der Verunsicherung eines ganzen Landes.
Denn Telefonspam ist keine Lappalie. Er ist das Symptom einer digitalen Gesellschaft, die ihre Bürger an der Leitung hängen lässt. Wer jetzt nicht handelt, lässt zu, dass Vertrauen in Telekommunikation – und in den Rechtsstaat – weiter erodiert. Der Terror aus der Leitung ist real. Und er lässt sich nur beenden, wenn endlich das getan wird, was andere längst vormachen: Verantwortung übernehmen. Verbindlich. Flächendeckend. Und jetzt.

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