
In einer neuen „wallraffen„-Recherche nimmt das Team unter Leitung von Günter Wallraff die Berliner Flüchtlingsunterkunft in Tegel ins Visier. Obwohl das Land 2023 insgesamt 298 Millionen Euro für Betrieb und Unterbringung ausgegeben hat, leben dort aktuell rund 3.000 Menschen unter teils fragwürdigen Bedingungen. Statt in sicheren Zimmern hausen sie in offenen „Waben“ mit bis zu 14 Personen – ohne Zimmerdecken, richtige Türen oder privaten Rückzugsraum.
Berechnungen zeigen: Das Land Berlin zahlt für Tegel täglich etwa 1,2 Millionen Euro. Auf jeden Bewohner heruntergebrochen entspricht das 400 Euro pro Person und Tag. Christoph Wapler (Grüne) bilanziert trocken:
„Es ist die teuerste Unterkunft mit den schlechtesten Bedingungen.“
Ein Auszug aus dem bislang geschwärzten Betreibervertrag offenbart, wo ein Teil der Mittel versickert: Träger wie das Deutsche Rote Kreuz und die Messe Berlin erhalten – zusätzlich zu den Personalkosten – eine Verwaltungspauschale. Ein Blick in die Zahlen enthüllt erstmals, wie hoch diese Zuschläge tatsächlich ausfallen.
RTL-Reporterin undercover beim ASB: Beschäftigungstherapie statt Betreuung
Eine RTL-Reporterin schleuste sich als Betreuerin beim Arbeiter-Samariter-Bund ein und berichtet von einer ernüchternden Arbeitsatmosphäre: Viele Beschäftigte verbringen ihre Schicht fast ohne Aufgaben, Kontrollgänge wirken oft sinnlos.
„Das ist für mich einfach nur Beschäftigungstherapie. Stell dir mal vor, wir hätten die Checklisten nicht. Was würden wir dann tun?“, so ein Schichtleiter.
DRK und ASB wehren sich: Man richte sich nach Bedarf und Standards, so die offiziellen Stellungnahmen. Digitale Bettenlisten ergänzten die Anwesenheitskontrolle und gewährleisteten eine „bedarfsgerechte Steuerung“. Doch laut Undercover-Recherche dürfen Betreuer selbst elementare Angebote – etwa Kinder in den Malraum zu begleiten – nicht wahrnehmen. Der ASB betont, dass nur „entsprechend geschultes Personal“ Kinder beaufsichtigen dürfe.
Politische Betroffene im Dunkeln
Den Verträgen wurde bislang selbst politischen Entscheidungsträgern vorenthalten. Erst als das „Wallraff“-Team die ungeschwärzten Zahlen präsentierte, herrschte Empörung bei Grünen-Politikern wie Jian Omar und Christoph Wapler sowie Elif Eralp (Die Linke). Omar kritisiert:
„Menschen einzustellen, ohne dass sie etwas zu tun haben, ist nicht nur Geldverschwendung, sondern auch nachteilhaft für die Geflüchteten selbst.“
Eralp zieht den Vergleich zu anderen Landesunterkünften: Dort lebten Geflüchtete „besser, mit weniger Beschwerden und umfassender psychosozialer Betreuung“ auf sieben Quadratmetern pro Person – Tegel biete hingegen „unter zwei Quadratmetern“.
Behörden rechtfertigen Notunterkunft
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) verteidigt die Zustände in Tegel als Ausnahme:
„Da die Aufnahmeeinrichtung in Tegel eine Notunterkunft ist, gelten die regulären Standards nicht. Die pro Person zur Verfügung stehende Fläche liegt deutlich darunter.“
Doch die Recherche wirft Fragen auf: Wäre es nicht möglich, die hohen Ausgaben unmittelbar für bessere Unterbringung und Betreuung einzusetzen – statt für Verwaltungspauschalen und Beschäftigungstherapie? Das „Wallraff“-Team fordert nun Aufklärung, Transparenz und zügige Reformen, damit Steuergelder dort ankommen, wo sie dringend gebraucht werden: bei den Geflüchteten selbst.
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