Flüsternde Waben: Wie Bienen mit Tanz, Duft und Vibrationen ihre Welt erzählen

Biene (über Shaiith)
Biene (über Shaiith)

Im Bienenstock findet ein faszinierendes Netzwerk aus komplexen Signalen und Verhaltensweisen statt, mit dem Honigbienen Informationen über Futterquellen, Wohnraum oder Gefahren austauschen. Am bekanntesten ist der sogenannte Schwänzeltanz, bei dem die Tänzerin Winkel und Dauer ihrer Waggle-Run-Bewegungen nutzt, um Richtung und Entfernung einer Nahrungsquelle zu kodieren.

Ergänzt wird dieser visuelle Tanz durch chemische Signale: Verschiedene Pheromone steuern etwa Alarm, Zusammenhalt und Königinnenpflege. Darüber hinaus spielen vibroakustische und elektrische Felder eine bedeutende Rolle, denn wippende Körperbewegungen erzeugen Schwingungen, die andere Arbeiterbienen über ihre Antennen wahrnehmen.

Schließlich ermöglicht Trophallaxis – das gegenseitige Weitergeben von Nektar und Speichel – nicht nur die Ernährung, sondern auch die Übermittlung von Informationen über Nahrungsquellen. Dieses Zusammenspiel flexibler Kommunikationskanäle erlaubt es dem Bienenvolk, als hochorganisierte Superorganismus-Einheit zu agieren und sich dynamisch an Umweltbedingungen anzupassen.

Die Sprache des Tanzes

Der wohl berühmteste Kommunikationsweg der Honigbiene ist der Schwänzeltanz, den Karl von Frisch schon in den 1960er-Jahren entschlüsselte. Bei diesem Tanz läuft die Biene in einer Figur-Acht, wobei die gerade Schwänzelphase (Waggle-Run) die Richtung relativ zur Sonne über den Winkel zur Senkrechten an der Wabenoberfläche signalisiert. Gleichzeitig kodiert die Dauer des Waggle-Runs die Entfernung zur Futterquelle – je länger die Wabe vibriert, desto weiter müssen die Sammelbienen fliegen. Arbeiterinnen beobachten den Tanz in der Dunkelheit des Stocks und folgen ihm durch taktile und akustische Reize, nicht durch visuelle Wahrnehmung. Untersuchungen mit Radartracking bestätigten, dass die Folgebienen anschließend tatsächlich die angezeigte Position ansteuern und nur minimal von Duftspuren abweichen.

Chemische Botenstoffe: Pheromone

Parallel zum Tanz sprachliche Abläufe steuern Pheromone viele alltägliche Prozesse im Bienenstaat. Die Königinnenpheromone beispielsweise wirken als soziales „Klebstoff“-Signal, das Arbeiterinnen an die Anwesenheit einer gesunden Königin bindet und die Eiablage reguliert. Alarmpheromone werden bei Bedrohung freigesetzt und versetzen die Bienen in Verteidigungsbereitschaft. Ebenso geben Sammelbienen über ihr Nektar-Pheromon bereits im Stock Hinweise auf die Qualität der zurückgebrachten Tracht, was die Relevanz von Tanz und Pheromon-Signal kombiniert.

Vibration und elektrische Signale

Neben Chemie und Choreografie nutzt die Honigbiene subtile mechanische Signale: Während des Waggle-Dance erzeugt die Tänzerin Vibrationen durch Flügelzittern und Körperbewegungen. Diese Schwingungen werden von den Zuhörerinnen über die sensiblen Haarzellen in den Antennen wahrgenommen. Darüber hinaus entsteht durch das Aneinanderreiben von Körperteilen eine elektrische Ladung, die modulierte Felder um die tanzende Biene herum erzeugt und als weiterer Kommunikationskanal dient. Neuere Studien haben neuronale Mechanismen identifiziert, mit denen bestimmte Nervenzellen im Bienenhirn Vibrations­muster dekodieren und so Abstand und Winkelinformationen extrahieren.

Trophallaxis und direkter Kontakt

Ein weiterer wichtiger Informationsweg ist die Trophallaxis, also das Mund-zu-Mund-Füttern: Dabei übernimmt eine Biene Nektar oder Speichel von einer anderen und nimmt gleichzeitig Duftstoffe auf, die auf besuchte Futterquellen hinweisen. Bei diesem Vorgang werden nicht nur Nährstoffe weitergegeben, sondern auch kleine Mengen von Pheromonen und Aromastoffen übertragen, was Sammelstrategien im Stock verbessert. Eng zusammenarbeitende Stockbienen nutzen zudem Körperkontakt und Streichen mit den Antennen, um synchronisiert zu bleiben und kollektive Aufgaben zu koordinieren.

Bedeutung für Biologie und Imkerei

Die Erforschung der Bienensprache liefert wertvolle Einsichten in kollektive Intelligenz und Tierkommunikation. In der praktischen Imkerei hilft das Verständnis der Kommunikationsmechanismen, Schwarmkontrolle zu verbessern und die Bienengesundheit zu fördern. Gleichzeitig eröffnen bioinspirierte Algorithmen aus der Schwänzeltanz-Forschung neue Ansätze in Robotik und Optimierungsverfahren. Insgesamt zeigt das Kommunikationssystem der Bienen eindrucksvoll, wie ein Superorganismus über multiple Kanäle effizient zusammenarbeitet – eine Blaupause für vernetzte Systeme in Natur und Technik.

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