
Am 1. Juni 2025 wird in Deutschland ein bislang einmaliges Modell des Mutterschutzes wirksam: Erstmals erhalten Frauen nach einer Fehlgeburt einen freiwilligen gesetzlichen Anspruch auf Schutzfristen, der sich ausschließlich nach dem Fortschreiten ihrer Schwangerschaft und nicht nach der Lebensfähigkeit des Kindes richtet.
Ab der 13. Schwangerschaftswoche können Betroffene zwei Wochen Auszeit nehmen, ab der 17. Woche sind es sechs, und ab der 20. Woche ganze acht Wochen.
Schätzungen zufolge erlebt etwa jede dritte Frau eine Fehlgeburt – bundesweit wären das rund 14 Millionen Betroffene, denen mit dem neuen Gesetz erstmals offiziell Raum zur körperlichen und seelischen Erholung eingeräumt wird. Das Gesetz stellt damit konsequent das Erleben der Frau in den Mittelpunkt und erkennt die besondere Belastung an, die ein Schwangerschaftsverlust mit sich bringt.
Der Weg dorthin begann 2022 mit der Journalistin und zweifachen Mutter Natascha Sagorski: Nach einer Fehlgeburt hatte sie statt einer Krankschreibung von ihrer Ärztin lediglich den Rat erhalten, am nächsten Tag wieder arbeiten zu gehen. Mit ihrer Online-Petition „Leere Wiege – Volle Arbeitskraft“ machte Sagorski auf diese Lücke im Mutterschutz aufmerksam und sammelte in kurzer Zeit Zehntausende Unterstützerinnen. In Interviews, öffentlichen Hearings und einer symbolträchtigen Aktion – einer 2,5 Meter hohen leeren Wiege vor dem Bundestag – schaffte sie es, die Debatte in Politik und Gesellschaft zu verankern. Monatelange Fahrten von München nach Berlin, Gespräche in allen Fraktionen und selbst der Gang vor das Bundesverfassungsgericht führten schließlich dazu, dass der Bundestag am 30. Januar 2025 das neue, gestaffelte Mutterschutzgesetz verabschiedete.
„Ich freue mich sehr, dass betroffene Frauen nun endlich einen Anspruch haben, sich nach einem Verlust erholen zu können“, so Sagorski. „Noch wichtiger aber ist, dass alle betroffenen Frauen von ihrem neuen Recht erfahren und es auch nutzen.“
Das Inkrafttreten markiert nicht nur einen juristischen, sondern vor allem einen kulturellen Wandel: Die Regelfristen signalisieren Wertschätzung für das körperliche und psychische Wohl der Frau. Zugleich wird damit ein starkes Zeichen gesetzt, dass persönliche Erfahrungen – gepaart mit anhaltendem, breitenwirksamem Engagement – in der Demokratie Gehör finden können.
Wichtig: Der gestaffelte Mutterschutz gilt ab dem 1. Juni 2025. Fehlgeburten, die vor diesem Datum auftraten, fallen nicht rückwirkend unter die neue Regelung. Betroffene sollten sich frühzeitig bei ihrer Krankenkasse oder dem Betriebsrat über Anspruchsvoraussetzungen und Fristen informieren.
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