Erben, denen im Testament ein ,Barvermögen` versprochen wird, sollten sich nicht zu früh freuen. Denn der Begriff ,Barvermögen` ist mehrdeutig und löst in Erbengemeinschaften häufig Streit aus. Darauf weist die Verbraucherzentrale Hamburg unter Berufung auf ein neues Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg hin (Az.: 3 U 8/23).
Die Richter entschieden, dass mit Barvermögen nicht nur Scheine und Geldmünzen gemeint sind, sondern auch das sofort mit einer Karte abhebbare Bargeld auf dem Konto.
Bar ist alles sofort verfügbares Geld
Begründung: Der Begriff des Barvermögens sei in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs so zu verstehen, dass damit das Bargeld im körperlichen Sinne und die bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen sind. Die Verwendung von Bargeld in Form von Münzen und Scheinen sei heute bei Weitem nicht mehr in dem Maße üblich, wie dies früher einmal der Fall war.
Durch die vermehrte Kartenzahlung habe sich damit auch die Verkehrsanschauung des Begriffes ,bar` verschoben. Der Begriff des Bargeldes umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist, betonten die Oldenburger Richter.
Wertpapiere fallen nach dem Richterspruch nicht unter den Begriff des ,Barvermögens`. Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das ,Barvermögen` einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt, klärte das Gericht auf.
Gehören Gold und Bitcoins zum Bargeld?
Abteilungsleiter Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg begrüßt die Klarstellung des Gerichts: „Was unter den Begriff des Barvermögens fällt und was nicht, da die heutige Generation darunter vielfach etwas anderes versteht als die Erblasser.“
Keine Frage: Bei der Jugend geht der Bezug zum Bargeld immer mehr verloren. Sie zahlt heute häufig über Mobiltelefone und Smartwatches, also gerade nicht bar. „Wer entsprechend weit auslegt, kann unter Barvermögen auch sofort verkäufliche Aktiendepots oder Goldmünzen verstehen. Und was gilt zum Beispiel bei Bitcoins?“, fragt sich Manfred Gabler, Geschäftsführer von ErbTeilung.
Für all diese Einzelfälle kann man das Testament letztendlich in die eine wie die andere Richtung auslegen. Soweit der Erblasser hier nicht eindeutig formuliert, läuft er Gefahr, dass einzelne Personen gegen seinen Willen zu viel oder zu wenig erben. Gabler wünscht sich hier auch von den Notaren mehr Klarheit in den Beurkundungen.
Schwammige Aussage des Notars
In dem vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall hatten Geschwister über die Auslegung des Testaments ihres verstorbenen Vaters gestritten. Dieser hatte vor einem Notar in das Testament folgenden Passus aufgenommen: „Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter ausgezahlt werden.“
Hintergrund: Die Tochter hatte bereits im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Immobilie überschrieben bekommen. Zum Zeitpunkt des Todes des Vaters belief sich das Kapitalvermögen des Erblassers (Depotwerte und Bankguthaben) auf insgesamt 192.108,98 Euro, wobei das Kontovermögen insgesamt 152.778,88 Euro, die Genossenschaftsanteile 3.000 Euro, das Depotvermögen insgesamt 34.291,87 Euro, im Nachlass vorgefundenes Bargeld 70,15 Euro und das von der Klägerin aufgefundene und in Besitz genommene weitere Bargeld 1.968,08 Euro betrug. Davon sprach ihr das Gericht letztendlich 51.605,70 Euro zu.
Die Tochter hatte ursprünglich auch noch rund 12.000 Euro Beteiligung am Depotwert und den Genossenschaftsanteilen gefordert, blieb aber den Beweis dafür schuldig, dass der Vater mit Barvermögen auch diese Werte einschließen wollte. Der seinerzeit beurkundende Notar hatte zwar vor Gericht ausgesagt, dass er den Vater so verstanden habe. Doch diese Aussage hielten die Oldenburger Richter für zu schwammig. Das Verständnis des beurkundenden Notars könne nicht mit dem Willen des Erblassers gleichgesetzt werden, monierte das Gericht und wies die Klage insoweit ab.
Andere Gerichte, andere Ergebnisse
Auch der Bundesgerichtshof (Az.: IV ZR 17/74) hat sich schon mit der Bargeld-Problematik in Testamenten auseinandergesetzt. Die Karlsruher Richter billigten die Auslegung des Berufungsgerichts, das unter Barvermögen „auf der G Bank“ auch die dort befindlichen Wertpapiere verstanden hatte. In dem dortigen Testament war also explizit eine bestimmte Bank genannt worden, so dass alle dort befindlichen Vermögenswerte im Rahmen der Auslegung des Begriffs ,Barvermögen` mitumfasst waren.
Das Bayerische Oberste Landesgericht (Az.: 1Z BR 124/02) hatte entschieden, dass es nach der Lebenserfahrung nicht fern liege, dass mit dem Begriff ‚Barschaft‘ nicht nur der geringe Bargeldbestand im Haus beziehungsweise in der Geldbörse gemeint sei, sondern auch die leicht verfügbaren Bankguthaben.
Und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az.: 19 U 58/05) fallen frei veräußerliche Kapitalanlagen noch zwanglos unter den Begriff des ‚Bargelds‘. Anders das Oberlandesgericht München (Az.: U 1473/21): Die dortigen Richter konnten keine Regel ausmachen, nach der unter dem Begriff ‚Bargeld‘ zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst werde.
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