Kurz vor der Kabinettsklausur in Meseberg wächst der politische Druck auf die Ampel-Bundesregierung, einen Befreiungsschlag für die kriselnde Wirtschaft zu präsentieren. Aus den Bundestagsfraktionen kommen zahlreiche Forderungen und Kritik am geplanten Wachstumschancengesetz. Umstritten bleibt die Idee eines vergünstigen „Industriestrompreises“, den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die FDP ablehnen.
Eine „neue Wirtschafts-Agenda“ forderte etwa Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. „Dafür braucht es viel mehr als das Wachstumschancengesetz“, erklärte Audretsch der „Welt“ (Montagausgabe). Der Abbau von Bürokratie und Investitionen in Zukunftstechnologien müssten ins Zentrum rücken.
Es gehe um Batterieproduktion, klimaneutralen Stahl, grüne Chemie und Solartechnik. „Die Strompreise müssen runter. Dafür bauen wir die Erneuerbaren mit hoher Geschwindigkeit aus. Die günstigste Energie ist Wind- und Solarenergie. Bis die erneuerbaren Energien für genug günstige Energie sorgen, ist eine Deckelung der Strompreise notwendig“, so Audretsch. Ausdrücklich lobte er die SPD-Fraktion dafür, dass sie sich hinter das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) favorisierte Konzept eines Brückenstrompreises gestellt habe.
Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, verteidigte den vorliegenden Gesetzentwurf und bekräftigte das Nein zum Industriestrompreis: „Zusammen mit den Maßnahmen zum Bürokratieabbau schnüren wir ein schlagkräftiges Gesetzespaket, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken und Spielräume für Innovationen zu eröffnen – und das für alle Unternehmen“, betonte Houben. Von einem Industriestrompreis würden „nur wenige große Unternehmen profitieren“. Für die FDP habe es Priorität, alle Unternehmen, also auch die kleinen und mittelständischen Betriebe, zu entlasten.
Die Union findet Lindners Entwurf unzureichend. Für Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist das geplante Gesetz „ein Lüftchen, das kaum Wirkung entwickeln kann“. Sie forderte ein Sofortprogramm und einen Krisengipfel mit Kanzler und Wirtschaftsvertretern.
Die Steuerlast auf einbehaltene Unternehmensgewinne müsse auf 25 Prozent begrenzt und die Sozialabgaben langfristig bei 40 Prozent stabilisiert und der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Ein Industriestrompreis müsse, so Klöckner in der „Welt“, eingebettet sein: „Kernenergie wieder hochfahren, Stromsteuer runter auf das europäische Mindestmaß und dann den dazu passenden Industriestrompreis angehen. Aber nicht isoliert und nicht nur für die von den Grünen als `gute` Industrie definierten Branchen der sogenannten Ökoindustrie, um nur bestimmte `grüne` Unternehmen zu entlasten.“
Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linke-Fraktion, sieht das Wachstumschancengesetz kritisch, denn es bringt aus seiner Sicht wenig für „Betriebe, die jetzt dicht machen, oder denen die Nachfrage weggebrochen ist“. Ein Industriestrompreis sei „notwendig, um die industriellen Kerne vor dem Ausbluten zu schützen“. Leye schlägt einen Inflationsausgleich bei Löhnen vor, ebenso einen höheren Mindestlohn sowie eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.
Der Staat müsse „jetzt massiv in unsere Infrastruktur und den ökologischen Umbau der Industrie investieren“. AfD-Fraktionsvize Leif-Erik Holm bezeichnete das geplante Gesetz als „Trostpflaster“ und forderte einen „Masterplan“ für Deutschland mit „weniger Steuern und Abgaben, weniger Regulierung und weniger Vorgaben“. Einem Industriestrompreis für einige wenige Betriebe erteilte Holm eine Absage.
Stattdessen müsse es einen „Wiedereinstieg in die Kernenergie“ geben, damit die Strompreise für alle fallen. Zudem wolle man „die hohen Steuern und Abgaben auf Energie, also auf Strom, Gas, Öl und Sprit, auf ein Minimum senken“.
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